Antwort von Maria und Matthias Reichl für das Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit auf die Klarstellung der Volkshilfe Oberösterreich

Maria Reichl, Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl

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An Mag. Günther Dachs

und an Frau MAS Gülcan Gigl

Volkshilfe Oberösterreich

Schillerstr. 34

4020 LINZ

Bad Ischl, 19.01.03

Betreff: Klarstellung "Frauen einer Welt" Bad Ischl. Ihr Schreiben vom 15. Jänner 2003

Sehr geehrter Herr Dachs,

Sehr geehrte Frau Gigl

Ich danke Ihnen für Ihre Klarstellung. Damit bestätigen sie, dass Ihre Angestellte sowohl uns wie auch Sie getäuscht hat und dadurch Missverständnisse entstanden sind, die dringend eine Aufklärung bedürfen.

Zu Punkt 1.
Wir haben nie das (auf ihrem Briefpapier verwendete) Logo der "Frauen einer Welt" (in Linz) verwendet. Bei der Namenssuche für unsere Gruppe in Bad Ischl hat Frau M. uns von ihrem Projekt "Frauen einer Welt" in Linz erzählt und gesagt, dass das Projekt schon einige Jahre nicht mehr aktiv ist und sie glaubte das wir daher den Namen verwenden könnten.

Zu Punkt 2.
Diese Information ist für mich neu. Ich war beim ersten Treffen noch nicht dabei. In meinem offenen Brief (siehe Beilage) habe ich beschrieben wie wir gemeinsam weiter vorgegangen sind. Vielleicht besteht schon hier das erste Missverständnis und Sie reden von einer anderen Gruppe. Ich lege die Prospekte unserer Gruppe bei, auf deren inhaltlicher Grundlage wir bis jetzt gearbeitet haben.

Zu Punkt 3.
Wir haben in unserer Gruppe des öfteren über deren Unabhängkigkeit geredet und Frau M. hat uns immer wieder bestätigt, dass wir keine von der Volkshilfe abhängige Gruppe sind. Es ist auch offen ausgesprochen worden, dass die Volkshilfe und das Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit die als Kontaktadresse angegeben waren und für welche wir ehrenamtlich arbeiteten durch ihre Infrastruktur die Gruppe unterstützten ohne dass eine der Organisationen den Anspruch geltend machen kann, dass "Frauen einer Welt" Bad Ischl eine Untergruppe dieser Organisationen wird. Klar ausgesprochen haben wir auch, dass die Gruppe "Frauen einer Welt" Bad Ischl fallweise für konkrete Veranstaltungen mit der Volkshilfe und dem Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit so wie auch mit verschiedene andere Organisationen kooperieren.

Zu Punkt 4.
Hier muss ich nochmals betonen, dass da einen Irrtum besteht und es sich offensichtlich um eine andere Gruppe handelt. Wenn wir die Tatsache, dass die Volkshilfe für die Aktivitäten und Aussendungen der "Frauen einer Welt" Bad Ischl verantwortlich und berichtspflichtig ist und daher direkt von der Volkshilfe abhängig ist, früher gewusst hätten, hätte ich nicht auf Kosten des Begegnungszentrums für aktive Gewaltlosigkeit alle Presseaussendungen veröffentlicht und die Termine in der Homepage gestellt und die Evangelische Gemeinde hätte die Räume nicht ohne weiteres gratis zu Verfügung gestellt.

Ich habe daher um eine offene Aussprache mit alle Frauen gebeten und die Evangelische Gemeinde hat die weitere gratis Benützung der Räume sofort untersagt. (Es muss nach Abklärung der Situation neu verhandelt werden)

Zu Punkt 5.
Ich bedauere, wenn Sie meine Aussagen als Vorwurf empfinden. Es gibt viele Leute die einen autoritären Führungsstil bevorzugen, da es meistens bequemer ist, anderen die Verantwortung zu überlassen. Und es ist ganz menschlich, dass jemand Angst hat seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er bzw. sie die Orders seiner Vorgesetzten nicht nachkommen kann. Ich wollte weder Frau M. noch Sie, als ihren Arbeitgeber in irgendeiner Weise schädigen, sondern habe nur versucht die Missverständnisse aufzuklären.

Zu Ihren unüberlegten Drohungen möchte ich nicht direkt Stellung nehmen, da gerade diese Ihren Ruf am ehesten schaden könnten.

Da Sie Ihren Brief nicht nur an mich privat sondern direkt an das Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit gerichtet haben, habe ich den Vorstand davon in Kenntnis gesetzt. Um allen MitarbeiterInnen und UnterstützerInnen des Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, die auf der ganzen Welt verstreut leben, zu erreichen, muss ich ihren Brief und meine Antwort auch auf unsere Homepage veröffentlichen.

Ich verbleibe, in der Hoffnung hiermit zur Aufklärung beigetragen zu haben, mit freundlichen Grüßen

Maria Reichl

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Beilagen

1. und 2. (=letzte Auflage April 2001) des Frauenfolders "Frauen einer Welt" Bad Ischl

3.. Offener Brief

4. Antwort vom Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit (*siehe unten)

5. Folder vom Begegnungszentrum

*Bad Ischl, 19.1.2003

An

das Team der

Volkshilfe Oberösterreich

Flüchtlingshilfe und

Projektleitung "Frauen einer Welt"

(und zur Information an Univ. Prof. Dr. Weidenholzer)

Betreff: Klarstellung "Frauen einer Welt" Bad Ischl

Bezug: Ihr Schreiben v. 15.1.2003

Sehr geehrte Projektleitung,

im Auftrag des Vereinsvorstandes des Begegnungszentrums für aktive Gewaltlosigkeit Bad Ischl nehme ich Ihre Klarstellung zur Kenntnis, werde sie in unsere Homepage stellen.

Um den Ergebnissen der morgigen Aussprache der Gruppe "Frauen einer Welt" Bad Ischl nicht vorzugreifen beschränke ich mich auf jene Bereiche Ihres Schreibens, in denen Sie uns juristische Konsequenzen mit Formulierungen androhen, die jede Form einer kooperativen Haltung vermissen lassen und statt dessen nur drohen.

Vor dem Verfassen dieser Antwort haben wir Ihr Schreiben einigen Frauen aus dem dezidiert als "unabhängige Initiative" erklärten Team von "Frauen einer Welt" (siehe den Folder mit ihrem Selbstverständnis) als auch ehrenamtlichen Unterstützerinnen und Unterstützern unseres Vereins zur Kenntnis gebracht. Die Reaktionen waren durchwegs entsetzt, aber auch, bedingt durch deren eigene Erfahrungen mit ähnlich vereinnahmenden "Maßnahmen von oben herab", alarmiert. Sie erklärten, dass sie sich unter solchen Bedingungen eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit mit Ihrer Organisation - und Ihrer örtlichen Repräsentanz (u.a. im "Integrationsbüro") - nicht vorstellen können.

In den 22 Jahren unserer Vereinstätigkeit, in der wir uns gemäß unseren Statuten u.a. auch für den Schutz des Menschenrechtes auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit einsetzten, waren wir öfters mit ähnlichen Problemen unabhängiger Initiativen konfrontiert. Wir haben diese nach unseren Kräften in ihrem Bestreben nach einer selbstbestimmten Form von Aktivitäten auch dann unterstützt, wenn sie von - politisch oder finanziell - potenten Organisationen in ihrer Entfaltung eingeschränkt wurden. Als kleiner, von keinen institutionellen Finanziers abhängiger Verein mit nur ehrenamtlichen Mitarbeitern konnten wir nur durchstehen, weil wir überregional und auch international in den "alten" und "neuen" sozialen Bewegungen (u.a. auch im "Österreichischen Sozialen Forum") und in anderen Netzwerken Rückhalt bekommen.

Es würde den Raum sprengen, wenn wir die vielen Unterschiede zwischen Ihrer hierarchischen und unserer kollektiven Konzeption detailliert darlegen würden. Allein schon Ihre Feststellung: "Als Vertragspartner sind wir dem Land OÖ gegenüber für alle Aktivitäten und Aussendungen der 'Frauen einer Welt' verantwortlich und berichtspflichtig" bedeutet letztlich, dass damit der untergeordneten Gruppe selbständige, eigenverantwortliche und auch spontane Aktivitäten und Äußerungen - u.U. mit Klagsdrohungen - verwehrt oder zumindest erschwert werden.

Mit solchen und ähnlichen Äußerungen betreiben Sie eigene "Ruf- und Kreditschädigung" - aber das ist Ihr Problem und nicht das unsere.

Der Konflikt der unabhängigen Frauengruppe mit Ihrer Organisation hat auch positive Auswirkungen. Er provoziert eine Auseinandersetzung der Frauen - und auch ihrer Familien - einerseits mit politischen (Macht)Mechanismen, hierarchischen Strukturen und ihren Zwängen und andererseits als Alternative mit dem Wert von kollektiven, horizontalen Organisationsbedingungen einer Unabhängigkeit.

Wir werden daher wie bisher die unabhängige Gruppe von Frauen aus der Region Bad Ischl, die sich ihrerseits von der - von Ihnen dokumentierten - Vereinnahmung durch die Volkshilfe (aber auch durch andere Organisationen) lösen wollen, unterstützen. Ob sie den wenig aussagekräftigen Titel "Frauen einer Welt" durch einen treffenderen ersetzen werden, bleibt allein dem Frauenteam überlassen.

Nach dem Erhalt der entsprechenden Stellungnahme der Bad Ischler Frauengruppe werden wir die betreffende Seite unserer Homepage aktualisieren.

Nochmals raten wir Ihnen in Ihrem eigenen Interesse von der Einleitung juristischer Schritte ab. Wir hoffen, dass damit auch Ihre unbestreitbar wichtige Aufgabe einer Flüchtlings- und Sozialberatung und -betreuung vor selbstverschuldetem Schaden bewahrt wird.

Mit besten Grüßen

Matthias Reichl

(Schriftführer und Pressesprecher)

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Der folgende Text dient zur Verdeutlichung der ober angesprochenen Erfahrungen:

Ernst Gehmacher

"Grüne Bewegung"

(Die irreguläre Opposition)

Spezialseminar für sozialistische Mandatare, 3. August 1979.

Salzburger SPÖ Vertrauenspersoneninformation, Sondernummer, August 1979

(Auszüge aus der Zusammenfassung)

1. Irreguläre Opposition (IO)

Die westlichen Demokratien haben heute mit einer zeitgenössischen irregulären Opposition zu rechnen, die

+ allgemein anerkannte Werte der Gesellschaft in frage stellt, ohne aber eine Gegenideologie oder Gegenkultur zu vertreten

+ starke Gefühle und Leidenschaften wachruft

+ sich teilweise nicht an die demokratischen Spielregeln hält,

+ allerdings auch kaum über straffe Organisation, Kampfmittel und Macht verfügt.

Diese irreguläre Opposition manifestiert sich (in Österreich) vor allem durch

  1. Technologiemißtrauen (Kernkraftgegnerschaft)
  2. Grüne Parteien (Umweltschutzparteien)
  3. Wahlenthaltung (Demokratieverdrossenheit), insbesondere der Jugend
  4. Obstruktive Bürgerinitiativen (Lokal-Egoismus)

In allen diesen Erscheinungen tritt ein tiefsitzendes Unbehagen zutage, das sich an bestimmte Themen und Gegenstände heftet. Die Themen werden dabei vielfach über die Massenmedien rasch verbreitet und aktuell gemacht, Journalisten und Schriftsteller wirken als Ideenbringer. Die Menschen, die sich dann oppositionell engagieren, empfinden ihr aktivwerden als befreiend, erleichternd; sie geben sich diesem Erlebnis hin. Allerdings sind sie nur in den seltensten Fällen zu Verzicht, Umstellung des Lebens oder zu regelmäßiger politischer "Arbeit" bereit. Ebensowenig steht hinter dieser IO eine einigende, zusammenhängende Weltanschauung, Gesellschaftskritik oder Utopie - schon gar nicht eine lebensformprägende Religion. Es handelt sich daher bei den hier analysierten IO nicht um eine echte politische Bewegung, Ideologie oder gar Gegenkultur: man mag darin eine Vorform oder ein Frühstadium einer neuen Gesinnung sehen oder auch nicht, das bleibt offen. Jedenfalls verfügt diese IO daher über keine ins Gewicht fallende politische Kraft an sich - sie kommt nur dort zu Geltung, wo die derzeitigen demokratischen Mechanismen überempfindlich reagieren (z.B. wenn die Angst vor Bürgerinitiativen notwendige Maßnahmen und Entscheidungen verzögert oder wenn eine ganz kleine Gruppe einer Grünen Partei oder von Nichtwählern zum Zünglein an der Waage wird). Sehr wirksam kann die innere Opposition auch werden, wo sich ein mächtiges Massenmedium oder eine der demokratischen Parteien ihrer bedient... (S. 5-6)

2. Integration der irregulären Opposition in die Demokratie

Prinzipiell gibt es drei Vorgangsweisen demokratischer Politik gegen die irreguläre Opposition:

+ Laissez-faire: das Gewährenlassen, eventuell sogar unter Ausnützung für eigene kurzfristige politische Ziele, also mit Koalitionsbildung.

+ Repression: Verhinderung oder Unterdrückung (im Anfangsstadium) im Einzelfall oder auch allgemein, auf gesetzlichem Weg oder durch Beeinflussungstaktiken (sozialer Druck *), Überredung etc.)

+ Integration: Eingliederung in die reguläre demokratische Politik, indem Ziele der irregulären Opposition von demokratischen Instanzen übernommen und engagierte Personen zum Aktivwerden in demokratischen Vorgangsweisen gewonnen werden.

Die drei Vorgangsweisen mögen in der Praxis oft ineinander übergehen und schwer abzugrenzen sein. Im Einzelfall kann jede der drei Strategien den jeweiligen Umständen sinnvoll entsprechen. Langfristig und in der Summe gebührt aber der Integration eindeutig der Vorzug: nur durch die Eingliederung in das Muster der Demokratie wird die irreguläre Opposition zu einem positiven Anstoß zur Weiterentwicklung des partizipativen Elements und der rationalen Problemlösung in unserem politischen System. Daher soll auch nur auf Strategien der Integration eingegangen sein... (S. 14)

2.6 Politische Eingliederung von Betroffenenvertretern

Im Idealfall käme es gar nicht zur IO, wenn nämlich jede Interessenten- und Betroffenengruppe schon innerhalb der Parteien Gehör und Anklang suchte und fände, Gerade in den Bürgerinitiativen werden aber zum Großteil Leute initiativ, die keiner Partei nahestehen. Die Chance, alle Protestbewegungen von vornherein in einer Partei aufzufangen, bleibt daher begrenzt.

Doch wenn Gruppen von Betroffenen aktiv werden, unter denen es auch in größerem Umfang aktive Parteimitglieder gibt, so kann eine "Parallel-Aktion" innerhalb der Partei die IO wenigstens teilweise integrieren. Allerdings verspricht eine Parallel-Aktion, etwa zu einer Bürgerinitiative, nur dann vollen Erfolg, wenn sie innerhalb der Partei nicht nur tatsächlich, sondern auch für die Öffentlichkeit merkbar, Gewicht und Gehör findet... (S. 18)

*)Anmerkung von Matthias Reichl:

zu: "Überredung und sozialer Druck":

Beispiele: zu "Überreden": Funktionäre erklären entweder "Wir haben dazu schon einen Arbeitskreis, Ausschuß, Kommission, Referat und werden - irgendwann - darüber beraten" oder: "So lange ich etwas zu entscheiden habe, wird das nicht akzeptiert, beraten, realisiert... An-den-Rand-drängen Einzelner bzw. der ganzen Gruppe (in dominanten Institutionen wie Parteien, Kirchen und anderen gesellschaftlich einflußreichen Gruppierungen), Druck im privaten, beruflichen Bereich (Mobbing), auf Familienangehörige, Freunde bis hin zur Bedrohung der beruflichen Existenz, der Kürzung bzw. Entzug von Subventionen und anderen Unterstützungen, totschweigen bzw. verdrehte Berichte in den Medien; Bespitzelung durch Nachbarn, Polizei usw. Juristisch: durch Androhung von Klagen, lange, teure Prozesse, Schadenersatzforderungen... und eine Menge anderer Strategien wäre anzuführen.

Über die Hintergründe dieses Textes wurde von Roman Hinterseer im "KURIER" (v. 5.10.1979) kritisch berichtet.

Matthias Reichl

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Put on the internet by M. Reichl 22.01.03