Offener Brief an den Grünen nach der Nationalratswahl 2002

Schwarz-grüne Koalition - ein "Harakiri" der GRÜNEN Partei

Ich schließe mich den Warnungen vor jeder Art von Koalitions- bzw. Kooperationsverhandlungen zwischen Repräsentanten der GRÜNEN Partei und der VP an. Sie würden den neoliberalen "Global-/ National Players" nur als entpolitisierte Reparaturbrigade dienen, um die verheerenden Folgen barmherzig abzumildern. Das werfe ich auch jenen "Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen" vor, die (lt. "News" Nr. 48, S. 58) dafür "mobilmachen" sollen.

Dabei geht es nicht nur um die erhebliche Gefahr einer Vereinnahmung und letztlich Auslaugung der GRÜNEN durch ein cleveres VP-Team mit Schüssel an der Spitze (ich habe an der Standfestigkeit der GRÜNEN Verhandlungspartner meine Zweifel!). Mir fällt kein einziger in dem VP-Team (sowohl Minister als auch andere Spitzenpolitiker - inkl. ihrer Verhaberung mit neoliberalen FPlern) ein, mit dem ich mir die Umsetzung unserer grundsätzlichen Vorstellungen und Forderungen vorstellen könnte. Das war schon während der großen Koalition so und erst recht seit der verheerenden blau-schwarzen Politepisode.

Noch gravierender sind meine Zweifel - verstärkt durch kritische Stimmen aus den "sozialen Bewegungen" - an der Einsicht in die neoliberalen Hintergrundmechanismen, deren Dynamik, Dimensionen und (großteils) irreversiblen Auswirkungen bei unseren Auseinandersetzungen mit Politikern und Lobbyisten (national und global) aufgedeckt wurden. Im Ökonomischen z.B. in MAI, WTO, GATS, TRIPS (mit Fallfrist WTO-Konferenz Herbst 2003), problematische Entscheidungen und Defizite in der EU (und den Beitrittskandidaten) usw.; im Sozialen z.B. in der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, in Umweltbereichen, in der Friedenspolitik usw. Abgesehen von engagierten Beiträgen Einzelner, v.a. auf der mittleren und unteren Ebene der Partei (bzw. der GBW), war im Wahlkampf (aber auch schon vorher) zu wenig kämpferisches und die Basisbewegungen unterstützendes zu spüren.

Gerade jene Initiativen an der Basis, die sich oft mit letzten Energien engagieren - oder inzwischen an der Umarmungs- bzw. Aushungerungstaktik der bisherigen Regierungen am Zerbrechen sind - haben auch in der nächsten Regierungsperiode weitere ökonomischen und politische Belastungen zu erwarten. Das habe ich mit unserem Verein "Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit" in dessen mehr als 20 Jahren politischen Engagements hautnah erfahren. Ernüchtert mussten wir feststellen, dass Wahl(r)ämpfe relativ wenig Positives zur politischen Bewußtseinsbildung und ihrer Umsetzung in die Praxis beigetragen haben. (Eine weit verbreitete Einschätzung: Außer Spesen kaum was gewesen! Bei Plakatständern: Die Janusköpfigkeit von "Großkopferten" auf der einen, und inhaltsarmen Phrasen auf der anderen Seite der gleichen Medaille!)

Müssten wir unsere politischen Impulse aus diesen Bereichen beziehen, würden wir - wie viele andere - unser Engagement erschöpft auslaufen lassen. Zu unser aller Glück gibt es wachsende Basisbewegungen und Netzwerke, die zum Großteil diese Defizite kompensieren. Und auch die Zusammenarbeit mit jenen Parteileuten, die unsere Anliegen aktiv unterstützen.

Meine Schlußfolgerung (als parteifreier Mitgründer der "Alternativen Liste" und der "Grünen Alternative"): würde die GRÜNE Partei eine verhängnisvolle Kollaboration mit der VP eingehen, wäre das ihr (endgültiger?) Abschied von dieser grünen Basis und eine Mutation zu einem neoliberalen Beiwagerl in das sich gewendete Trittbrettfahrer(innen) drängen.

Matthias Reichl, Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Tel. 06132-24590, e-mail: info @ begegnungszentrum.at

Put on the internet 02.12.2002

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