Balkankrieg und Zerstörung der Lebensgrundlagen

Wiederaufbau in Jugoslawien auf vergifteter Grundlage?

 

Matthias Reichl (Fassung v. 13.8.1999 ergänzt 7.1.2001)


Wir haben schon seit Ende März 1999 - eine Woche nach Beginn der NATO-Bombardements im Kosovo - laufend in einem e-mail-Netz und durch unseren "Rundbrief" über die Folgen berichtet. Jetzt erst - 21 Monate nachher - nehmen nicht nur einzelne marginalisierte Medien sondern auch Politiker und die Massenmedien öffentlich Stellung. In (Fernseh-) Stellungnahmen leugneten drei hohe Beamte des österreichischen Verteidigungsministeriums jede Gefahr. Offenbar ein Kniefall vor der NATO (deren Vertreter ähnlich argumentieren und z.B. den Leukämietoten unterstellen, ihre Rauchgewohnheiten wären die Ursache) um den NATO-Beitritt Österreichs um jeden Preis zu sichern.


Aktionsaufruf an Friedens-, Antiatom- und andere Bewegungen und Initiativen:

Wir schlagen daher eine koordinierte Kampagne vor, die sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Innenministerium (Rücksendung von Flüchtlingen nach YU/ Kosovo/Bosnien) wegen ihrer Ignoranz und Vertuschung zur Verantwortung zieht. Weitere Schritte auch gegen andere Verantwortliche wären zu überlegen.

Und was geschieht mit den Friedensdienern und anderem Zivilisten in Hilfseinsätzen?

Matthias Reichl, Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Bad Ischl, 7.1.2001

 

Balkankrieg und Zerstörung der Lebensgrundlagen (Fassung v. 13.8.1999)

Wiederaufbau in Jugoslawien auf vergifteter Grundlage? (Übersetzungen ins Englische und Französische.)


Welchen Beitrag können und sollen NGOs und andere Basisinitiativen beim Wiederaufbau einer zivilen Gesellschaft im Kosov@ und dem restlichen Jugoslawien leisten? Können Versöhnungsarbeit und Mediation nachhaltig das Überleben der verbliebenen Bewohner und der Rückkehrenden sichern? Oder müßten nicht angesichts der großflächigen radioaktiven und chemischen Kontaminierung Jugoslawiens (und angrenzender Regionen) auf Jahrzehnte hinaus alle Bewohner evakuiert werden? Das fordern nicht nur wir, sondern immer mehr unabhängige Experten. Ein gefahrloses Bewohnen des Landes, Landwirtschaft (inkl. Export), selbst ein Transit ist mit unabschätzbaren Gesundheitsrisiken verbunden, weil nachweislich winzige Spuren, aufgenommen über die Luft, das Wasser bzw. Nahrungsmittel tödlich wirken können.

Haben wir verdrängt, wovor Experten wie Robert Jungk, Günter Anders und andere schon vor 30 Jahren warnten - daß selbst konventionelle Kriege in industrialisierten Ländern wegen der Auswirkungen (un)absichtlicher Bombardements von chemischen Fabriken, Lagerhäuser, Raffinerien und anderer Gefahrenquellen, aber auch von Atomkraftwerken selbstmörderisch sind. Wenn z.B. der WWF schätzt, daß an der Donau über 80 von der NATO bombardierte serbische Objekte mit - meist unbekannten - Giftstoffen die Luft, den Boden, das Grundwasser und auch die Donau (bis zum Schwarzen Meer) auf Jahrzehnte hinaus vergiften. (Bis zu 20 Millionen Bewohner sind auf Trinkwasser aus der Donau angewiesen!) Dazu kommen noch Dioxine, Furane und ähnliches, die von Winden hunderte Kilometer weit verfrachtet werden (von Griechenland bis Österreich).

Nicht nur diese Art von Kriegführung ist nach internationalem Recht verboten, sondern auch der Einsatz von Kassetten-/Splitterbomben. Man schätzt, daß mindestens an die 20.000 davon als Blindgänger herumliegen. Andere wurden vor der Rückkehr der Flugzeuge auf ihre NATO-Stützpunkte in die Wälder des Kosovo und Montenegros, aber auch in die Adria (bis nach Venedig) abgeworfen.

Schwerwiegender sind die hunderte Tonnen von Cruise-Missile-Sprengköpfen und panzerbrechenden Geschossen - die absurderweise z.T. auf Gummiattrappen von Panzern abgeschossen wurden - deren Kern unter der dünnen Leichtmetallhülle aus abgereichertem Uran besteht. (Dieses Abfallprodukt der Atombrennstab-Produktion - Halbwertszeit 4,5 Mio. Jahre - wird dadurch großflächig und ungeschützt "endgelagert". Ihre Alpha-Strahlung ist nur mit Spezialgeräten und -labors - v.a. in Kanada - meßbar, nicht mit den üblichen, militärischen Geigerzählern!) Der "durchschlagende" Effekt entsteht beim Aufprall in der Hitze von 1500°, die winzige glasartige Uranpartikel freisetzt. Diese geraten über die Atmung, offene Wunden, Wasser und Nahrung in den Körper und provozieren - oft erst nach vielen Jahren - Krebs, Schäden an Organen, Nerven und an den Genen. Auch sie werden durch Luft- und Wasserströme über hunderte Kilometer verteilt.

Das von NATO-Militärs und Politikern lange geleugnete - jetzt aber von Rosalie Bertell und anderen bei Irakern und NATO-Veteranen dokumentierte - "Golfkriegssyndrom", ist nun bei hunderttausenden Betroffenen nachweisbar, wie Bertell beim Treffen der Alternativnobelpreisträger in Salzburg schlüssig analysierte.

Mit allen propagandistischen Mitteln der NATO und den von ihr (ideologisch) beeinflußten Massenmedien (inklusive den österr. ORF-Radio und Fernsehen sowie die meisten Zeitungen) wird versucht, die Illusion eines sauberen Luftkrieges - ohne irreversible Schäden - weitgehend aufrechtzuerhalten und das Augenmerk nur auf die - zurecht abzulehnenden - Menschenrechtsverletzungen serbischer Gewalttäter zu lenken. Globalisierende, herrschende Wirtschaftskräfte wollen das Land als investitions- und wiederaufbauwürdig präsentieren. Politiker und humanitäre Organisationen rechnen mit der Rückkehr der Flüchtlinge und verschweigen die Gefahren auch für KFOR und Polizei sowie die zivilen Hilfs- und Aufbauteams. Milosevic will seinerseits Panik, Lethargie bzw. Flucht seiner Leute verhindern.

Wir haben Rosalie Bertells Warnung eine Woche nach Kriegsbeginn von einem US-indianischen E-mail-Netzwerk (NativeNews) erhalten (siehe auch "Rundbrief" Nr. 93, S. 3-6). Dazu kamen noch Informationen von Gorbatschows Umweltorganisation "Green Cross", von Basisinitiativen aus dem Balkan sowie Ende Mai auch aus einer UNO- (und im Juni einer EU-) Untersuchung. Dagegen schwiegen die führenden österreichischen Umweltorganisationen Greenpeace und GLOBAL 2000 (im Unterschied zu den Anti-Atom-Initiativen und dem WWF) wegen innerer Uneinigkeit zu lange zur akuten Umweltgefährdung. (Auch die Zeitschrift des Österr. Ökoinstituts "kon.texte" Nr. 2, 7/99 - berichtet unter dem Titel "Spass!" über Erlebnisparks, jedoch nichts über den Balkan!) Aber auch in Publikationen von Friedensinitiativen wurden - wenn überhaupt - auf die Ausmaße der Bedrohung nur kurz hingewiesen. Ihr Schwerpunkt liegt - ähnlich der Menschenrechtsorganisationen - im Versöhnungsprozess zwischen den Menschen. Presserklärungen und Appelle der österr. Grünen Partei bekamen nur wenig Publizität und wurden von den Balkan-Konferenzen hochrangiger Politiker ignoriert. Ebenso erging es den Kommunisten. Ein gemeinsame Kampagne von Betroffenen - wie sie sich in einigen Ländern entwickelte - kam in Österreich bis jetzt nicht zustande.

Die geopolitische NATO-Strategie - u.a. die Ausweitung des Einflußgebietes westlicher Mächte über Bulgarien, Rumänien, Moldavien, Ukraine, Kaukasus, den Ölfeldern von Kasachstan und weiter bis zur chinesischne Grenze - analysiert mit anderen auch Michael Chossudowski (siehe die e-mail-Adressen und websites unten).

Führende amerikanische Juristen brachten beim Internationalen Gerichtshof zu ex-Jugoslawien eine Klage gegen insgesamt über 60 Staats-/Ministerpräsidenten, Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Staaten (inklusive Ungarn, Tschechien und Polen) sowie gegen die Spitze des NATO-Führungsstabes ein. Begründing: die geschilderten Kriegsfolgen - ein Genozid - und die Verletzungen des Völkerrechts sowie von UN-Beschlüssen. Damit wurden nicht nur militärfreundliche Hardliner sondern u.a. auch der "Grüne" Joschka Fischer sowie die früheren tschechischen Menschenrechtsaktivisten Vaclav Havel und Jan Kavan angeklagt. Mit dem noch-NATO-Chef Javier Solana wird demnächst ein der Kriegsverbrechen verdächtigter Politiker der erste de-facto-"Außenminister" der EU. Angesichts der Machtverhältnisse werden diese Machthaber jedoch voraussichtlich einen Prozeß vor dem Gerichtshof verhindern können und damit ihr humanitäres Image bewahren.

Keiner dieser Prozesse kann aber die geschilderten Gefährdungen - auf viele Jahrzehnte - beseitigen, sondern sie höchstens etwas vermindern. Ein zu heißer Boden für den Aufbau einer zivilen, gewaltarmen Gesellschaft?

Weitere Internet-Informationen u.a. bei:

http://www.egroups.com/group/du-list

http://www.geocities.com/mothersalert/lowlevelrad.html

http://balkans.unep.ch/press/press010111.html (UN-Umweltbehörde)

http://balkans.unep.ch/du/du.html

<www.web-light.nl/VISIE/ud_main.html> and

<www.flora.org/flora.mai-not/12187>

Andreas Rockstein <anro0002@stud.uni-sb.de>,

Janet M. Eaton <jeaton@fox.nstn.ca>,

Green Cross Int. Bertrand Charrier <bertrand.charrier@gci.ch>

Int. Action Center New York <iacenter@iacenter.org>

info @ begegnungszentrum.at

www.begegnungszentrum.at

Matthias Reichl

Übersetzungen ins Englische und Französische.

(Aktualisiert aus "Rundbrief Nr. 94" (3/99), Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Wolfgangerstr. 26, A- 4820 BAD ISCHL, Tel. 06132-24590, e-mail: info @ begegnungszentrum.at)


Ergänzung 13.8.1999:

...Die USA erxportieren große Mengen von DU nach Frankreich und Großbritannien, die ihr eigenes Inventar von DU-Waffen bauen. Die drei NATO-Mitgliedsstaaten exportieren DU-Waffensysteme nach Saudi-Arabien, Kuweit, die Vereinigten Emirate, Khatar, Bahrein und Ägypten. Andere Länder, die DU-Waffen haben oder in der Lage sind, diese Art herzustellen, sind Russland, Schweden, die Niederlande, Japan, Griechenland, die Türkei, Thailand, Taiwan, Kroatien und Bosnien. Die Zahl der Länder wächst schnell.

(aus: Henk van der Keur: "Die militärische Verwendung von abgereichertem Uran (DU)".

...DU ist eine Waffe, die vor allem Frauen und kinder angreift. Frauen haben sehr strahlenempfindliche Gewebe, z.B. in Brust und ´Gebärmutter, und Kinder sind näher an der Erde, atmen also mehr Uran ein, wachsen noch und haben eine längere Lebensspanne...

(Die Ärztin Veronica Engl: "Der verschwiegene Atommüllkrieg - Tschernobyl in Jugoslawien". Beide Texte in "FriedensForum" Nr. 4/99, Netzwerk Friedenskooperative, Bonn)

(Published on the internet by Matthias Reichl 10.01.2007)

home